Sindeldorf - Marigny

Wie alles begann:


Im Jahre 1945 wird Willy Humm an das französische Militär überstellt. Per Zug wird er mit anderen deutschen Kriegsgefangenen in ein Lager nach Annecy in Hochsavoyen/Frankreich gebracht. Unter härtesten Bedingungen mussten sie beim Straßen- und Brückenbau arbeiten. Im Jahre 1946 (Februar) fährt der Landwirt Léon Thomé aus der französischen Gemeinde Marigny St. Marcel (Hochsavoyen) nach Marigny, um ein Kriegsgefangene als Arbeitskraft auf seinem Bauernhof einzusetzen. Da Willy Humm mit der Arbeit auf dem Bauernhof vertraut ist, meldete er sich freiwillig zur Arbeit auf dem Hof, um auch dem harten Lagerleben zu entkommen.

Im Jahre 1946 kommt Willy Humm schließlich sehr ausgehungert und bleich auf dem Bauernhof bei Familie Thomé an. Dort durfte er sich bei der französischen Familie mit insgesamt 11 Personen endlich wieder satt essen. Aufgrund der anfänglichen Verständigungsprobleme hatte man sich sehr viel mit Gesten verständigt. Die wichtigsten Wörter lernte er schnell von den Kindern.

Von den fünf Kindern der Eltern Léon und Jeanne Thomé wurde Willy Humm anfänglich sehr skeptisch betrachtet. Im Laufe der Zeit sowie durch nette Gesten von ihm, steigerte sich schnell sein Ansehen bei den Kindern.

Aus dem ersten Weltkrieg erlebte Léon Thomé schlechte Erinnerungen, als er durch einen deutschen Gasangriff verletzt wurde. Seine Ansicht zu den Deutschen wurde trotz dessen nicht schlechter. Seine Einstellung, dass man sich mit den Deutschen verstehen müsse und diese nicht schlechter seien als die Franzosen, prägte natürlich sein Umgang mit dem deutschen Kriegsgefangenen Willy Humm.

Zusammen mit der Familie durfte Willy die Mahlzeiten einnehmen. Er lebte dort in einem kleinen Zimmer in der Scheune mit einem Bett, einem Ofen und einer Kommode, worauf ein Bild seiner Partnerin Klara Göker stand.

Mit ungefähr 10 weiteren Kriegsgefangenen in Marigny traf sich Willy Humm gelegentlich sonntags. Als Freund lernte er dort Herbert Sehm kennen, welcher auf dem Bauernhof der Familie Bruyère arbeitete.

Durch die Zuneigung der Familie Thomé wurde Willy Humm mehr und mehr zum Familienmitglied. Trotz eines geplanten Fluchtversuchs mit zwei weiteren Kriegsgefangenen zurück nach Deutschland, blieben die Konsequenzen für ihn ohne negative Folgen.

Aufgrund der christlichen Prägung von Willy Humm entsteht bald der erste Kontakt zum französischen Ortspfarrer Jean du Noyer de Lescheraine. Aufgrund eines Studienaufenthaltes in München war dieser der deutschen Sprache mächtig und wurde als Übersetzer und Vermittler oftmals in Situationen hinzugezogen.. Für die Kriegsgefangene hielt er beispielsweise einen besonderen Gottesdienst an manchen Festtagen. Auch lud er die Kriegsgefangen sonntags zu Gesprächen und Gesang zu sich ein und brachte ihnen die Landessprache bei.

Das Ende der Kriegsgefangenschaft wurde durch eine Rettungsaktion der Bauersfrau eingeleitet. Als eines Tage in der Scheune die Leiter umgefallen war und sie sich nur noch am mit Mühe am Balken festhalten konnte, eilte Willy Humm zur Hilfe indem er die Leiter wieder aufstellte und sie somit vor dem Sturz in die Tiefe rettete. Durch diese Rettungstat leitete der Pfarrer du Noyer die Entlassung über den Kriegsgefangenen ein. In Zusammenarbeit mit Léon Thomé schrieben sie einen Brief an die Leitung des Kriegsgefangenenlagers in Annecy woraufhin Ende Dezember 1947 Willy Humm entlassen wurde. Wegen eines Eisenbahnstreiks saß er mehrere Tage in Chambéry fest. Schließlich kam Willy Humm am 10. Januar wieder in Sindeldorf an.


Im Laufe der Jahre wurde der Kontakt durch einen regelmäßigen Briefwechsel zwischen Willy, Pfarrer du Noyer und Léon Thomé gepflegt. An den Schrieben und der Wortwahl war deutlich zu erkennen, wie freundschaftlich das Verhältnis zwischen den Personen war und ist. Im Jahre trat Willy Humm mit seiner nun Frau Klara den ersten Besuch in Marigny bei der Familie Thomé an.

Willy Humm versuchte ständig die freundschaftlichen Kontakte zu pflegen. In den darauffolgenden Jahren kamen mehrere Besuche zustande. Der Pfarrer Jean du Noyer möchte ebenfalls die Verbindung erhalten ermutigte die Gemeindemitglieder nach Sindeldorf zu fahren. Im Jahre 1958 nahm Willy Humm nach dem Besuch in Marigny auf dem Rückweg nach Sindeldorf den Pfarrer du Noyer und Henri Thomé (ein Sohn von Léon Thomé) mit, wodurch sie ihren ersten Besuch in Sindeldorf erleben durften.

Der Beginn der Dorfgemeinschaft wurde durch den Besuch der Sindeldorf in Marigny im Jahre 1959 eingeleitet. Damals begaben sich 40 Personen in einem Bus auf die Reise nach Marigny. Durch Pfarrer du Noyer wurde der Besuch von französischer Seite aus organisiert. Die Sindeldorf wurden aufgrund der damaligen Kriegserinnerung nicht in den Familien sondern in einem Knabengymnasium in Rumilly untergebracht. Die mitgereisten Frauen waren in der Mädchenschule untergekommen. Der mitgereiste Gesangverein umrahmte den festlichen Gottesdienst in Marigny. Durch den Bürgermeister fand anschließend der Empfang der Gäste mit einer offiziellen Begrüßung statt. Die Reise war durch einen Ausflug nach La Chamerbotte sowie eine Festlichkeit am Abend geprägt. Dort erfolgte die Einladung zu einem Gegenbesuch nach Sindeldorf im darauffolgenden Jahr.

Im Jahre 1960 fand der Gegenbesuch der französischen Freunde in Sindeldorf statt. Die 38 Gäste wurden in den deutschen Familien untergebracht. Die Tage wurden durch einen festlichen Gottesdienst, einem Ausflug nach Bad Mergentheim sowie einem Festabend im Saal des Gasthaus Löwen geprägt.

In den darauffolgenden Jahren fanden mehr und mehr Besuche zwischen den deutsch-französischen Familien statt. Es entwickelten sich regelmäßige Kontakte und Treffe, woraufhin sehr enge Freundschaften entstanden sind.